Was ist Transaktionsanalyse?

22. Oktober 2017

Was ist Transaktionsanalyse? Auf diese Frage gibt es viele Antworten – auch im Internet. Im Rahmen ihrer TA live Interviews hat Christin Nierlich ein Gespräch mit Günter Hallstein geführt.

Ich bin begeistert von diesem Interview. Günter zeigt einfach und anschaulich auf, worum es bei der Transaktionsanalyse geht und welches die vier Hauptpfeiler sind. Und das Ganze innerhalb von 10 Minuten. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön von mir an Christin und Günter für dieses Video.

Übrigens: dieses und weitere Interviews findest du auf ta-live.de.


Transskript

Christin: Hallo Günter, vielen Dank, dass wir hier in deinen Räumlichkeiten sind.

Günter: Gerne.

Christin: Du stehst auch schon am Flip, das heißt, wir werden was zu sehen bekommen.

Günter: Ja, zu einem Transaktionsanalytiker gehört ja immer die Flipchart.

Christin: Ok, seit neustem.

Günter: Nein, das war bei Berne schon so.

Christin: Ja, wir wollen mal einsteigen und ein bisschen gucken, was TA ausmacht, wie du TA verstehst.

Günter: Ja, wie verstehe ich Transaktionsanalyse? Abgekürzt TA. Also das Wort „Transaktion“ kennen wir aus der Wirtschaft: Börsentransaktion, Finanztransaktion – bedeutet eigentlich so etwas wie Handel oder Vertrag oder sowas.

Christin: Ja, genau.

Günter: Das heißt, Menschen verhandeln irgendwie etwas. Im ursprünglichen amerikanischen Englischen ist aber eine „transaction“ etwas, was zwischen Leuten passiert, was hin und her geht.

Christin: Ja, ok.

Günter: Und was hier gerade passiert, ist schon eine Transaktion: ich sage etwas zu Transaktionsanalyse und du reagierst dazu. Und sagst: „Ja, hm …“ Das ist also schon eine Transaktion. Wenn man sich das genau anguckt – und das soll dann auch noch schlau klingen -, dann nennt man das Transaktionsanalyse – Transactional Analysis. Was ursprünglich im amerikanischen Englisch eigentlich sehr eine Alltagssprache bedient hat und deshalb auch leicht verständlich war.

Christin: Das sind dann auch die Pfeile, die wir da malen zwischen den meist drei Ich-Zuständen und die das dann beschreiben.

Günter: Und das Pfiffige daran ist, dass es nicht nur äußerlich die Transaktionen sind, auf die du dich gerade beziehst, sondern dass es auch innere Prozesse abbilden kann in den einzelnen Konzepten.

Christin: Da sind wir jetzt schon so dabei. Was hat es also mit Menschen zu tun?

Günter: Das Pfiffige, das ich an der TA so schätze, ist, dass Eric Berne sich ganz genau angeschaut hat: was passiert da eigentlich zwischen Menschen? Was geht da hin und her? Und er hat das jeweils auf der nicht einsehbaren Seite, also auf den inneren Prozess bezogen. Und aber auch auf die Kommunikation oder so. Und er konnte dann – wenn man sich fragt: was hat das mit Menschen zu tun? – vier Fragen einer großen Antwort näherbringen. Dazu habe ich jetzt die Flipchart hier auch hingestellt. Nicht dass uns das trennt, sondern das wir was deutlich machen.

Christin: Dass wir uns das angucken, genau.

1. Pfeiler:
Ich-Zustände – das Persönlichkeitsmodell der Transaktionsanalyse

Ich-ZuständeGünter: Vier Fragen habe ich gesagt. Die Frage Nummer 1 wäre also die Frage: Wie kann man den Menschen eigentlich verstehen? Und da entsteht ein Persönlichkeitsmodell mit verschiedenen Persönlichkeitsanteilen. Ganz grob gesagt, mit dem Anteil, der uns mit den eigenen Erfahrungen ausmacht. Dann dem Anteil, den uns sozusagen wichtige Bezugspersonen mitgegeben haben. Und dem Anteil, der uns das Hier und Jetzt gestalten lässt. Das sind verschiedene Persönlichkeitsanteile, die ganzheitlich in uns integriert sind. Und das ist ein Persönlichkeitsmodell.

2. Pfeiler:
Transaktionen – die Kommunikationstheorie der Transaktionsanalyse

TransaktionenGünter: Und die zweite Frage, weil es ja um Transaktionsanalyse geht, was zwischen Menschen hin und her geht – du hast die Pfeile schon erwähnt -, hat das mit einer Kommunikationstheorie zu tun. Wie kann man eigentlich hilfreich miteinander reden? Was ist dabei eher geschickt? Was ist dabei eher ungeschickt? Und so entsteht ein Kommunikationsmodell und eine Kommunikationstheorie, auf die sich viele gängige Theorien – Friedemann Schulz von Thun: „Miteinander reden“ und diesem Vier-Ohren-Modell … – durchaus auch heute noch darauf beziehen.

Christin: Das heißt, hier wird auch deutlich, wann funktioniert's nicht. Oder was führt dazu, dass es nicht funktioniert.

Günter: Das war eine große Entdeckung bei Berne. Berne hat ja einen großen Schwerpunkt zu sagen: wir helfen den Menschen. Wir analysieren nicht nur, sondern wir haben den Auftrag … wir stellen uns in den Dienst von Menschen, die in ihrem Leben, in ihrem Everyday-Life, in ihrem Alltag besser zurechtkommen wollen.

Christin: Ja.

3. Pfeiler:
Lebensskript – die biografische Perspektive der Transaktionsanalyse

SkriptGünter: Dazu war noch eine dritte Frage ganz wichtig. Nämlich die dritte Frage: Wie kommt es eigentlich zu unserer ganz persönlichen psychologischen Biografie? Was hat uns da eigentlich geprägt? Da male ich mal ein Buch, weil Berne – der wohnte übrigens in der Nähe von Hollywood – mit einem Auge immer nach Hollywood schielte. Und er kannte Drehbücher. Und ich hatte schon erwähnt, er benutzte eine alltägliche Sprache. Und er sagt: wir folgen einem Drehbuch unseres Lebens. Wir wissen das nicht bewusst, aber wir sind dem eigentlich immer auf der Spur. Und das nannte er eine Skripttheorie, in Anlehnung an das Rollenskript der Hollywood-Schauspieler.

Christin: Genau, das heißt, das wir täglich hier mit dabeihaben, was schon früh sich definiert oder wir früh „schreiben“, das unser Leben so prägt und begleitet.

Günter: Und was ja auch wichtig ist, denn von daher wissen wir: wie geht man eigentlich in eine Beziehung hinein? Wie gestalte ich ein Gespräch? Oder wie gehe ich in eine neue Situation hinein? Wie gehe ich in meinen ersten Schultag rein? All das hat mit diesem Lebensdrehbuch zu tun. Da ist so ein Teil dessen, was uns beeinflusst hat, von den wichtigen Bezugspersonen her. Und aber auch einiges, was wir selbst sozusagen erfunden haben.

4. Pfeiler:
Spiele – die Beziehungsanalyse der Transaktionsanalyse

SpieleGünter: Und die vierte Frage wäre dann die Frage: Wie kommen wir denn eigentlich in der Gemeinschaft zurecht? Wie kommen wir mit anderen zurecht? Wie können wir Beziehung gestalten, so dass sie fruchtbar sind? Was ist denn eher hinderlich? Das ist eine sogenannte Spieltheorie. Weil er herausgefunden hat, Menschen scheinen „miteinander zu spielen“. Zu einem Spiel gehören Regeln, an die man sich hält, eine Portion Zufall, aber man weiß irgendwie, wenn man Spiel spielt – „Mensch ärgere dich nicht“ oder so -, wann man gewonnen oder verloren hat. Und er findet heraus, dass Menschen so miteinander agieren, dass es schon nach einem bestimmten Ende riecht.

Christin: Also es vorhersehbar ist, wenn man dem eine Weile zuguckt.

Günter: Ja, genau. Paare kennen das öfter, wenn sie miteinander gerade verklüngelt sind. Nach den ersten – Berne würde sagen – Transaktionen ahnen sie schon, was rauskommen wird. Das heißt, es ist ein destruktives Beziehungsmuster, aber das gibt's natürlich auch positiv. Und Berne ist immer an der Frage interessiert: wie können wir fruchtbar und gut miteinander umgehen?

Christin: Das baut dann auch da wieder drauf auf auf dem Skript.

Günter: Und damit haben wir die vier großen Theoriemodelle:

  • ein Persönlichkeitsmodell
  • eine Kommunikationstheorie
  • eine biografische Theorie
  • und eine Gruppen- oder Beziehungsanalyse.

Christin: Gruppendynamik, genau. Vielen Dank dafür. Das heißt aber auch oder ist sicherlich auch ein Teil dessen, mit dem du arbeitest. Also das heißt, wie arbeitest du mit TA? Woran würde ich das merken, wenn ich zu dir käme? Oder was machst du mit TA?

Merkmal transaktionsanalytischer Arbeit: die Haltung «Ich bin ok – du bist ok»

Günter: Also ich glaube du würdest es wahrscheinlich zuerst an der Atmosphäre merken. Was ich bei Berne sehr schätze, ist, dass er das was außen sichtbar ist – hier zum Beispiel, in der Kommunikation – immer auch zurück spiegeln will auf die Innenseite. Was passiert da eigentlich innerlich? Und er sagt zum Beispiel, dass es wichtig ist, auf Augenhöhe miteinander umzugehen, sehr respektvoll. Er nennt das, weil er Umgangssprachlich sehr schnell verstanden werden will, eine Ok-Position. Das heißt, wir gehen miteinander um, im Sinne von „ich bin ok, du bist ok“. Ich habe das für mich so übersetzt mit drei Adjektiven: ich bin wertvoll, begabt und geliebt – und du bist es auch. Und wenn man dem mal nachspürt, dann merkt man schon schnell, was das bedeuten könnte, wenn Menschen so einander begegnen. Nicht die Ellbogen ausfahren, sondern sich so in die Augen schauen. Und das wäre das erste, das Menschen, glaube ich, wahrnehmen, die zu mir in die Beratung kommen. Ich mache psychologische Beratung, Psychotherapie, auch Seelsorge oder Coaching. Und ich glaube, das erste, das sie spüren, ist, dass ich sie versuche, mit einer Ok-Haltung hier willkommen zu heißen. Also anzuschauen, dass sie wertvoll, begabt und geliebt sind, ein Mensch mit Ressourcen, mit Begabungen und Fähigkeiten.

Merkmal transaktionsanalytischer Arbeit: Verträge

Günter: Typischerweise würde ich dann zweitens eine Bestandesaufnahme machen mit demjenigen. Was der eigentlich für Fragen hat, was ihn gerade umtreibt, was ihn bewegt. Und das auf dem Hintergrund der Frage: wie kann ich mich in den Dienst dieser Fragestellung stellen?

Christin: Vertragsarbeit auch …

Günter: So nennen wir das transaktionsanalytisch. Wir sagen das ist eine Vertragsarbeit. Und das wäre so die Einzelbegleitung. Und dann bilde ich aus: psychologische Berater, Coaches oder angehende Transaktionsanalytiker, lehrende Transaktionsanalytiker bilde ich aus auf verschiedenen Ebenen.

Christin: Ja, prima. Vielen, herzlichen Dank für deinen Einblick.

Günter: Sehr gerne.


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